Bern/Klimbim/Schweiz

Pfui, EM, Pfui.


Mit der ihm dann und wann eigenen Larmoyanz beklagte sich Bundesrat Leuenberger letzte Woche über den Lärm am und um den Bundesplatz, welcher ihn und die weiteren beflissenen Geister im UVEK beim Arbeiten behinderte. Zu seinem Pech berichtete das Pendlerblatt 20 Minuten darüber und gab den Wortlaut des Magistraten zu allem Überfluss leicht überspitzt wieder. Spätestens seitdem hagelte es in den Kommentaren zu seinem Beitrag Wortmeldungen von erbosten Bürgern der einen oder anderen Couleur (ich meine damit für einmal nicht orange).

Die einen sind der Auffassung, dass fluglärmgeplagte Anwohner des Klotener Flughafens («iuniik», wir erinnern uns) ja wohl das schlechtere Los gezogen hätten als der Herr Bundesrat, welchen das wiederum nicht besonders zu interessieren scheine, sei der doch mit seinen eigenen Luxusproblemen beschäftigt. Restlos von der Hand zu weisen wäre das freilich nicht. Andere loben den Magistraten dafür, dass er es wage, seine kritische Stimme gegen diese verachtenswürdige Veranstaltung zu erheben. Das muss man natürlich würdigen, gerade in einem Land – um nicht zu sagen Schurkenstaat – wie unserem, wo kritische Stimmen mit schlimmsten Sanktionen bis hin zu endloser Folter durch holländische Guggen zu rechnen haben. Seit der Vergabe der olympischen Spiele nach China weiss man ja, dass Menschenrechte bei solchen Geschäften zweitrangig sind.

Nun kann man da ja wirklich geteilter Meinung sein. Nach meinem (zugegebenermassen sehr bescheidenen) Wissensstand wird die laufende Europameisterschaft zum grössten Teil aus öffentlichen Geldern der Gastgeberländer finanziert. Die UEFA lässt alles, was nicht bei drei auf den Bäumen ist, markenrechtlich schützen und streicht die nicht versiegen wollenden Sponsorengelder ein. Gearbeitet wird – von gewöhnlichen Sterblichen zumindest – kostenlos. «Volounteering» nennt man das dann. Letzten Endes aber ist die Sache inzwischen gelaufen und so geht die kritische Stimme von Herrn Leuenberger den Herrschaften vermutlich in angemessener Distanz am Allerwertesten vorbei: Vergebene Liebesmüh also, wie so oft. Was bleibt, ist näselndes Gejammer.

Bei uns hört man die Holländerscharen übrigens auch, an Spieltagen ab Mittag und bis in die Nacht – wohnen wir doch in unmittelbarer Nähe zur sogenannten «Fanachse» zwischen Innenstadt und Stadion. Wir haben uns gut damit arrangiert. Meine Lieblingsbeschwerde ist aber abgesehen davon: Der Abfall! Die genannten Zahlen überbieten sich in regelmässigen Abständen. Und nicht etwa die wirtschaftliche Belastung der Gastgeberstadt – neudeutsch: Host City – wird beklagt, sondern mit der grossen Kelle lamentiert man über die daraus resultierende globale Umweltverschmutzung (welche vorher und nacher wie auch anderswo übrigens nicht stattfindet). Wie gut, dass keiner der anwesenden Gäste zu Hause oder wo auch immer er die entsprechende Zeit anderweitig verbracht hätte auch nur ein Gramm Abfall produziert haben könnte. Mitnichten hätten Holländer, Franzosen, Italiener, Rumänen und natürlich verwöhnte Schweizer Unmengen von hirnlos überverpackten Waren konsumiert, Fertiggerichte aus Einwegbehältern verzehrt, Getränke aus Plastikflaschen getrunken und, wenn wir schon dabei sind, auch nur einen einzigen Autokilometer zurückgelegt. Fürwahr, die Welt wäre ein Paradies!

7 Kommentare zu “Pfui, EM, Pfui.

  1. Naja ich arbeite IN genau dieser Achse und wohne ziemlich genau UNTER ihr. Mit dem Abfall kann ich leben. Das Schlimmste finde ich aber die „Pisswolke“ die frühmorgens in der Stadt liegt wenn am Vortag ein Spiel der Holländer stattfand.

    Aber auch diese Wolke kann man jeden Morgen in der Unterführung vor dem „Kreissaal“ erleben. Da übernachten die Junkies.

  2. Ja, das ist ekelhaft, ebenso wie Kotzpfützen in der Altstadt und andere Nebenwirkungen. Auch die Abfallberge sind abgesehen davon sicherlich nicht über jeden Zweifel erhaben, das wollte ich damit nicht sagen. Und natürlich darf einem die Euro auf den Geist gehen, warum auch nicht?

    Was mir einfach aufstösst, sind die Leute mit dem moralischen Zeigefinger, die nicht über die eigene Nasenspitze hinaus denken (wollen?). Als ob deswegen jetzt das Ende des Abendlandes innerhalb der nächsten 10 Tagen bevor stünde. Was für eine exorbitante Selbstüberschätzung.

  3. @Ray: Auf letzteres war ich glaube ich auch gekommen. Trotzdem kann es damit ja nicht soweit her sein: Dass die UEFA sich als einzige Beteiligte einer Bilanz wird rühmen können, die diesen Namen verdient, war doch allen von Beginn an klar – auch und vor allem jenen, die die Euro ums Verre***n ins Land geholt haben. Sich jetzt die Augen zu reiben, halte ich für, pardon, Schizophrenie.

  4. Bei mir rennst Du offene Türen ein, klar. Meine Tochter arbeitet übrigens für und in einer Modeboutique im Seefeld. Das mit den dramatischen Umsatzeinbrüchen bei den Geschäften im Umfeld der Fanzone bestätigt sie. Der Laden ist tot, da gehen weder Zürcher noch Touristen hin. Heute habe ich mit der Polizei hier telefoniert, wegen der absolut geistesgestörten Verkehrsführung in meinem Quartier. Nix zu machen, weil am Abend wegen einem Spiel in Klagenfurt die Fanzone aufmacht, muss ich morgens um 06:30 kilometerlange Umwege fahren.

    Schön für Bern, die EURO, aber Zürich hat das alles verbockt, viel zu gross dimensioniert.

  5. Ja, ich denke mal, Bern hatte da einen entscheidenden Vorteil: eine kleine und kompakte Innenstadt. Ausserdem – in welchem anderen Land würde man so eine Fanzone gefühlte drei Meter vors Parlamentsgebäude pflanzen? Ich glaube, das imponiert all den Ausländern irgendwie…

    Ein Arbeitskollege heute beim Mittagessen: «Ach doch, es gibt schon Orte, an jenen man dem Fussball entkommen kann. Zum Beispiel in der Zürcher Fanzone.» ‚Tschuldigung, aber ganz daneben ist das ja nicht. 😉 Aber jetzt ist’s ja bald vorbei, und ändern können wir die Chose ja auch nicht.

    P.S. Es waren übrigens nicht die Geschäftsleute, von denen ich zuvor sprach und auch nicht jene, die sich aus gutem Grund über manche Begleiterscheinungen ärgern. Sondern eher jene, die «aus Prinzip» meckern und dann versuchen, ihre pure Lust an der Beschwerde auf hehre Motive zu schieben.

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